Freitag, 17. Oktober 2008
Der Entengott
An einem Dienstag im Juli schlüpften die ersten Entlein, am Mittwoch dann die große Schar und die Mütter übersiedelten mit den Jungen in den Nachbarkobel. Sie übersahen dabei, dass ein Nachzügler ganz ohne Geburtshilfe noch das Eigehäuse sprengte und das Licht der Welt erblickte. Den ganzen Tag kämpfte der jüngste Erdenbewohner vergeblich um die mütterliche Zuneigung, sie ließen den Nachzügler seinem Schicksal überlassen. Außerdem wurden auch ca 25 Eier nicht mehr bebrütet.
" Und wenn dich Vater und Mutter verlassen, ich verlass dich nicht ", heißt es in uralten heiligen Schriften. Als selbsternannter Entengott stieg ich in den Teich (die Insel war wegen des Sinkens des
Wasserspiegels auf Grund gelaufen und ließ sich nicht mehr ans Ufer ziehen) nahm das ermattete Entlein in meine Hand und gab es zur Wärme spendenden Schar der Geschwister. Und weil ich schon bis zum Arsch im Wasser stand, entfernte ich auch noch die bebrüteten und verlassenen Eier, die zum Teil schon einen penetranten Gestank verbreiteten. Bei den mehrmaligen Gängen zwischen Insel und Ufer sank ich im Schlamm immer tiefer und stürzte schließlich ins Wasser. Patschnass vollendete ich das Werk. Beim Abtransport der verlassenen Eier vernahm ich noch mitten aus den Eiern ein Gepiepse und zwei von innen angepeckte Schalen: Klar da waren noch zwei Entlein in Geburtswehen. Ich befreite sie aus der tödlichen Kinderstube, stieg nochmals ins Wasser und gab auch sie zu den Geschwistern. Gestern, Donnerstag waren alle 3 aus höchster Not geretteten Entenvögel bereits wohlauf, schwammen bereits über den ganzen Teich, sodass die neue Schar ganze 15 beträgt. Die Mütter vertreiben die bösen Väter, die mit ihrer Begattungswut auf ihre eigene Nachkommenschaft fürchterlich eifersüchtig sind. Was in der ganzen Entenschaft nicht wahrgenommen wurde, ist, dass ein guter Gott 3 von ihnen aus höchster Not errettete. Das ist so mit den Göttern: Sie behüten und beschützen und die Behüteten nehmen es gar nicht wahr und die Götter schmunzeln und erfreuen sich an der Lebensfreude der Erretteten. Eigentlich brauchen sie gar keine Lobgesänge und Opferaltäre. Ich als Entengott würde es mir jedenfalls verbieten, wenn sie mir jetzt eines von meinen Lieblingen opfern würden. Ich bin ins Wasser gestiegen, damit sie leben und nicht, damit sie geopfert werden.
Es tut richtig wohl, mitten in einer theo- oder anthropozentrischen Welt auch die Not der Tiere wieder wahrzunehmen und zu lindern helfen.

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